Was sind Overlays
Overlays bezeichnen Technologien, die den Quellcode von Websites mithilfe von Drittanbieter-Software (meist JavaScript) anpassen, um deren Zugänglichkeit zu verbessern. Sie bieten Einstellungen zur Anpassung wie Textvergrößerung, Kontrasteinstellungen oder Farbanpassungen. Diese Tools erscheinen häufig als Widget, das sich über die eigentliche Website legt. Daher stammt vermutlich auch der Name. Manchmal wird eine ständig sichtbare Button-Leiste angeboten.
Wichtig: Overlays besitzen nicht zwingend KI-Funktionen. Sie helfen Nutzern, individuelle Anpassungen vorzunehmen, beseitigen jedoch nicht automatisch jedes mögliche Problem.
Gerade die kommerziellen Anbieter solcher Programme integrieren eine Vielzahl von Funktionen, immer öfter auch KI. Aber allen mir bekannten Definitionen ist nur gemeinsam, dass persönliche Einstellungen vorgenommen werden können.
Kritikpunkte an Overlays
Schon der Ansatz, dass Menschen mit Behinderung eine Website nicht einfach nutzen können, sondern gezwungen werden, ein kaputtes Produkt zu reparieren – und zwar bei jedem Besuch erneut – ist mit der Definition von Barrierefreiheit im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) nicht wirklich vereinbar.
Barrierefrei sind […] Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen […], wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. (§4 BGG)
1.Technische Nachteile
- Überladen Websites mit zusätzlichem Code, der Ladezeiten verlängert und die Performance beeinträchtigt.
- Lösen strukturelle Barrieren im Code nur eilweise (z. B. falsche HTML-Auszeichnungen, fehlende ARIA-Tags) und erzeugen dabei oft neue Fehler
- Oft gibt es Probleme mit Hilfsmitteln wie Screenreadern
- manchmal beeinträchtigen sie bestehende Funktionen, wie Kontrast-Modus, eigene Farben, Text-Eingabe oder die Sprachausgabe der Betriebssysteme und Browser
- Sinnvoll umgesetzte Funktionen wie ein Kontrastmodus erfordern ein zweites, eigenständiges Design und eine händische Implementierung durch Entwickler, was arbeits- und kostenintensiv ist.
2. Benutzerbezogene Nachteile
- Niedrige Nutzungsraten: Website-Analysen zeigen, dass etwa 1 % der Besucher tatsächlich mit Overlays interagieren
- Etwa ein Drittel der Betroffenen erkennt die Tools nicht
- Ablenkung und Überforderung für neurodivergente Personen
- Nutzer müssen zusätzliche Schritte unternehmen, um Funktionen zu aktivieren, anstatt direkt von einer barrierefreien Website zu profitieren
- Für manche Menschen, sind die Overlays eine so starke Verschlechterung, dass es auf der Website overlayfactsheet.com zahlreiche wütende Kommentare von authentischen Nutzern gibt. Es gibt aufgrund der zunehmenden Verbreitung bereits ausreichend Bedarf zur Entwicklung eines Browser-Plugins, dass die Störenfriede abschaltet: AccessiByeBye
3. Ethische und rechtliche Probleme
- Erzeugen den Eindruck, eine Website sei barrierefrei, obwohl grundlegende Probleme bestehen bleiben
- überzogene Werbeversprechen einiger Hersteller. Deshalb mussten Anbieter wie AccessiBe bereits Millionenstrafen zahlen
- Keine Garantie, dass unzugängliche Websites gesetzliche Vorgaben wie die WCAG oder nationale Barrierefreiheitsrichtlinien erfüllen
- Menschen mit Behinderungen werden hier zusätzliche Aufwände aufgebürdet. Die erste Hürde vor der Nutzung eines solchen Overlays ist schon, es zu finden
- Bevorzugung bestimmter Nutzergruppen auf Kosten anderer
4. Wirtschaftliche Nachteile
- Kostenpflichtige Lizenzen für Betreiber, die zusätzliche Ausgaben bedeuten
- geringer Nutzen (Pflaster auf einem gebrochenen Bein)
- Negative Auswirkungen auf die Reputation durch öffentliche Kritik und enttäuschte Nutzerinnen und Nutzer
- Potenzielle Bußgelder bei Verstößen gegen Barrierefreiheitsgesetze, denn meist bestehen viele Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben weiterhin
Gründe für den Einsatz von Overlays
- Overlays werden häufig aus Unwissenheit eingesetzt. Man hofft damit schnell Barrierefreiheit zu schaffen
- Betreiber wollen hilfsbedürftigen Nutzern entgegenkommen, ohne die zugrunde liegenden Prinzipien der Barrierefreiheit zu verstehen
- Angst vor dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
- Übergangslösung.
Alternativen zu Overlays
Statt Overlays sollten Website-Betreiber auf korrekte Gestaltung und Codierung setzen, um echte Barrierefreiheit zu erreichen.
Nutzer können zusätzlich auf bestehende Funktionen ihrer Browser und Betriebssysteme hingewiesen werden (z. B. Schriftvergrößerung über “Strg +” oder “Cmd +”). Das hat den Vorteil, dass einmal gelernte Funktionen auf allen Seiten effizient verwendet werden können, ohne die entsprechenden Funktionen suchen zu müssen.
Auch lassen sich bestimmte Voreinstellungen zu Schriftgrößen, Schrift- und Hintergrundfarbe auch dauerhaft für alle Webseiten festlegen. Barrierefreie Websites müssen solche Benutzereinstellungen unterstützen (Anforderung 11.7 User preferences).
Dieser Ansatz unterstützt alle gleichermaßen, ohne zusätzliche Komplexität oder Nachteile zu erzeugen. Sie funktionieren immer und auf allen (barrierefreien) Websites.
Fazit
Overlays bieten keine nachhaltige Lösung für Barrierefreiheit, sondern verschieben die Verantwortung von den Entwicklern auf die Nutzer. Sie lösen die meisten grundlegenden Probleme nicht, erzeugen Frust und Ärger und beeinträchtigen oft die Benutzerfreundlichkeit. Stattdessen sollten Betreiber in barrierefreies Design investieren und den Nutzern praktische Hinweise zu bereits vorhandenen Funktionen geben. Barrierefreiheit ist keine Frage von Hilfs-Widgets, sondern von sorgfältig gestalteten und umgesetzten Webseiten, die für alle zugänglich sind.
Wenn Websites gut gemacht sind, locken sie sogar zusätzliche Interessenten an, was die Reichweite, Suchmaschinen-Ranking und Conversion-Rate verbessert. All das möchte man als Seitenbetreiber.
Merke
Warum sollten Entwickler Produkte erstellen, die für alle nutzbar sind? – Weil das der eine Job ist, den du hast…
Links
Viele Nachteile werden in der Masterarbeit von Daniela Kubesch wissenschaftlich nachgewiesen:
The Impact of Web Accessibility Overlays on the Usability and User Experience for People with Permanent Visual Impairments (Master Thesis of Daniela Kubesch) und Accessibility-Overlays wissenschaftlich beleuchtet — technica11y-Vortrag mit Daniela Kubesch
Fact Sheet mit Nutzerstimmen, Auflistung der Nachteile, Gerichtsurteile u.v.a.m. unterschrieben von etwa 1.000 Experten, Organisationen und Betroffenen
https://overlayfactsheet.com/en/
Mehr Links zu allgemeinen Informationen zu rechtlichen und technsichen Hintergründen (Standards, Rechtsvorschriften usw) unter Links zu Barrierefreiheits-Schulungen