Schutz des Netzwerkes
Bewertet werden kritische Aspekte bei der Nutzung von (Online-) Medien immer wieder hinsichtlich des Selbstschutzes. Der ist natürlich nötig. Wir haben aber auch eine Verantwortung anderen gegenüber. Wer nach dem Motto lebt, dass er nichts zu verbergen habe, verteilt nicht nur Daten über sich selber, sondern auch über Menschen in seinem Netzwerk. Zuallererst natürlich über Personen im engsten Umfeld, wie dem eigenen Haushalt und der Familie, dann auch beste Freunde und Kollegen, über seine Firma, oft werden Datenkraken gleich ganze Telefonbücher übermittelt.
Soziale Netzwerke erfahren bei Fotos vom Familien-Urlaub nicht nur, dass ich an einem bestimmten Ort gewesen bin, sondern sie wissen das dank Gesichtserkennung auch von allen anderen Personen auf Fotos – auch von der Familie, die jeden Tag neben mir am Strand lag, die ich selber gar nicht kenne – das Netzwerk aber schon, denn auch deren Gesichter lassen sich ja erkennen.
All die fatalen Abläufe (Kategorisierung, Profiling, reale Konsequenzen aufgrund unbekannter (Fehl-)Informationen) werden natürlich auch für Menschen angestoßen, die diese Informationen selber gar nicht bereit gestellt haben, ja nicht einmal ein Konto bei dem sozialen Netzwerk haben.
Die Betreiber von WhatsApp und ähnlichen wissen ja nicht nur wann, mit wem und wie oft ich telefoniere, sondern die wissen das auch über meine Gesprächspartner und verknüpfen das mit Informationen über meinen Gesprächspartner, die ich nicht weiß.
Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit habe ich die gleichen Interessen, wie Personen in meinem Netzwerk – auch die geheimen Interessen, von denen Google womöglich viel, ich aber nichts weiß. Und umgekehrt. Das wofür ich mich interessiere, was ich nicht geheimhalten möchte, ist etwas, was meiner Umgebung zumindest als Möglichkeit ebenfalls zugeschrieben wird – egal ob meine Umgebung das möchte oder nicht.
Aber selbst Menschen, die keinerlei Kontakt zu uns haben, erleiden Nachteile durch unsere Daten. So führen die riesigen Passwortsammlungen im Netz dazu, dass sich Passwörter sehr viel effizienter erraten lassen, wodurch wir alle schlechter geschützt sind.
Insofern ergeben sich zwei Dinge, über die man mal nachdenken kann:
- Inwieweit kann ich mich selber überhaupt noch effektiv schützen?
- Was tue ich den Menschen in meinem (nächsten) Umfeld an?
Datenschutz hat Parallelen zum Schutz vor (Corona-) Viren: wir schützen uns – einer den anderen.
„Ich habe nichts zu verbergen“ ist immer eine Lüge
In meinen ganzen Kursen habe ich niemanden gefunden, der bereit war, sich vor den anderen Kursteilnehmern auszuziehen. So trivial und selbstverständlich das ist, so eindrücklich zeigt das Beispiel: die ziemlich unwichtige Information, wie ich nackt aussehe, wollen wir geheim halten.
Das gilt auch für andere Infos: Bei Geld hört für viele Menschen die Freundschaft auf. Bei Dingen, die nicht ganz legal sind (ständiges schnelles Fahren, daher gibt es ja so vehemente Widerstände gegen flächendeckende Tempokontrollen. Selbstverständlich alles, was ich heimlich mache (zu viel essen, zu viel trinken, zu wenig bewegen, private Gespräche während der Arbeitszeit uswusf).
Was wohl aber kaum einer auf dem Schirm hat: was heute erlaubt und normal ist, kann morgen ein Problem sein. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion waren viele von der autoritären Führung verbotenen Bücher plötzlich legal und öffentlich zugänglich in Bibliotheken zu finden. Die Regierung Putin hat in zahlreichen Bibliotheken nachgeforscht, wer welche Bücher ausgeliehen hat, um Systemkritiker aufzuspüren.
Niemand möchte, dass alles über ihn öffentlich wird. Jeder hat etwas zu verbergen. „Ich habe nichts zu verbergen“ ist immer eine Lüge!
Fazit
Wir wissen über die Verwendung unserer Daten nicht viel. Es ist naiv anzunehmen, dass nur solche Daten über uns gesammelt werden, die wir autorisieren (auch andere laden ihre Adressbücher hoch und wie weit die erteilte Erlaubnis geht, weiß doch nicht einmal derjenige, der sich die Datenschutzerklärungen tatsächlich durchliest). Nur eine einzige Sache ist gewiss: diese Daten werden zum Vorteil derjenigen verwendet, die unsre Daten sammeln. Niemals zu unserem Vorteil. Dass durch die Datensammelei Dinge für uns bequemer werden, ist eine Nebenwirkung. Aber keine Firma der Welt gibt Geld dafür aus, damit unser Leben leichter wird. Es geht immer um den Ausbau von (Markt-) macht und Monetarisierung. Unsere Interesse spielen dabei keine Rolle. Gar keine.
Auch dann nicht, wenn der Staat vorgeblich aus Gründen der Sicherheit wieder einmal seine Zugriffsrechte erhöht hat und nun in den Datensammlungen der Konzerne mitliest. Siehe Amerika, siehe Türkei, siehe Russland – alles Länder mit demokratischen Wahlen.